Ernest Hemingway
Ernest Hemingway und seine Katzen
Wenige Schriftsteller des 20. Jahrhunderts sind so eng mit Katzen verbunden wie Ernest Hemingway. Der Literaturnobelpreisträger, bekannt für seinen lakonischen Stil und seine tiefgründigen Charaktere, war nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch ein Liebhaber der Stille – jener leisen Präsenz, die Katzen in ein Zuhause bringen.
Besonders bekannt wurde Hemingway für seine Zuneigung zu polydaktylen Katzen, also Katzen mit mehr Zehen als üblich. Diese Tiere wurden nicht nur zu einem Symbol seines Lebens auf Key West, sondern auch zu einem Teil seines Nachruhms.
Ein Geschenk auf See – Die Geburt einer Legende
Die Geschichte beginnt, wie so viele Anekdoten über Hemingway, auf See. In den 1930er Jahren erhielt Hemingway eine Katze mit sechs Zehen von einem Schiffskapitän namens Stanley Dexter. Diese Katze, die den Namen Snow White (Schneewittchen) trug, war eine sogenannte „polydaktyle Katze“ – sie hatte an den Vorderpfoten jeweils sechs Zehen. Diese genetische Mutation, medizinisch als Polydaktylie bezeichnet, ist bei Katzen relativ selten, kommt aber bei Hafenkatzen häufiger vor, besonders an der Ostküste Nordamerikas. Man nimmt an, dass Seeleute diese Katzen bevorzugten, weil sie als besonders geschickte Mäusefänger galten und wegen ihres besonderen Aussehens Glück bringen sollten.
Hemingway war von dieser Katze so angetan, dass sie den Anfang einer kleinen Dynastie bildete. Heute leben auf dem Gelände des Hemingway-Hauses in Key West etwa 40 bis 60 Nachfahren dieser Katze – etwa die Hälfte von ihnen trägt noch immer das auffällige genetische Merkmal.
Key West – Ein Paradies für Katzen und Schriftsteller
Das Hemingway Home and Museum in Key West, Florida, war einst Hemingways privates Refugium – ein Ort, an dem er zwischen 1931 und 1939 einen Großteil seiner Zeit verbrachte. In dieser tropischen Umgebung schrieb er einige seiner bekanntesten Werke, darunter Wem die Stunde schlägt und Haben und Nichthaben. Inmitten der üppigen Vegetation, Palmen und Steinmauern lebte er mit seinen Katzen, die er frei durch das Grundstück streifen ließ.
Die Katzen durften sich nahezu uneingeschränkt bewegen – nicht nur im Garten, sondern auch im Inneren des Hauses, auf Tischen, Stühlen und sogar seinem Schreibtisch. Besucher berichten noch heute, dass es aussieht, als hätten die Katzen das Anwesen übernommen – auf leisen Pfoten, aber mit selbstverständlicher Würde.

Katzencharaktere: Unabhängigkeit, Stolz, Wildheit
Hemingway war fasziniert vom Wesen der Katze – ihrer Unabhängigkeit, ihrem Stolz, ihrer Wildheit. In einem Brief schrieb er:
"Ein Mensch, der eine Katze liebt, besitzt eine gewisse Würde, eine gewisse Unabhängigkeit, die sich nicht unterwerfen lässt."
Diese Eigenschaften spiegeln sich auch in vielen seiner Protagonisten wider – Männer, die hart, schweigsam, aber sensibel sind. Der Bezug zur Katze mag unterschwellig bleiben, aber das stille, beobachtende Verhalten der Tiere scheint oft durch seine Erzählweise zu schimmern. Hemingway mochte Tiere, aber Katzen waren ihm besonders nah – vielleicht weil sie, wie er selbst, als Einzelgänger galten, die dennoch in der Gesellschaft leben konnten, ohne sich vollständig anzupassen.
Die polydaktylen Katzen heute – Ein lebendiges Erbe
Das Hemingway Home and Museum ist heute eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Key West. Neben literarisch Interessierten pilgern auch Katzenliebhaber zu dem Ort – nicht zuletzt wegen der rund 60 Katzen, die das Gelände bevölkern. Sie tragen Namen berühmter Persönlichkeiten, wie „Audrey Hepburn“, „Humphrey Bogart“ oder „Pablo Picasso“, ganz in Hemingways Tradition. Eine interne Regel des Hauses besagt, dass alle Katzen dort einen berühmten Namen tragen müssen.
Die Tiere stehen unter tierärztlicher Aufsicht, dürfen sich weiterhin frei bewegen, und es gibt sogar einen eigenen Friedhof auf dem Gelände, auf dem frühere Generationen begraben liegen. Die Nachkommen von Snow White gelten heute als genetisch wertvoll, und viele von ihnen haben die markanten sechs (manchmal sogar sieben) Zehen.
Ein Erbe in Tinte und Tatze
Ernest Hemingway hinterließ nicht nur eine literarische Welt von beeindruckender Schlichtheit und Tiefe, sondern auch ein kulturelles Erbe, in dem Katzen eine wesentliche Rolle spielen. Die Hemingway-Katzen sind mehr als nur Kuriositäten: Sie sind stille Zeitzeugen eines außergewöhnlichen Lebens, in dem die Natur, das Tier und das Schreiben untrennbar miteinander verwoben waren.
Sie erinnern uns daran, dass Größe nicht nur in Worten liegt – sondern auch in der stillen Gesellschaft eines Geschöpfes, das durch kein Kommando zu lenken ist.
