Nekogami


Nekogami – Die Katzengötter Japans

Während viele Katzenwesen der Welt als Dämonen, Geister oder mystische Begleiter auftreten, nimmt der Nekogami in der japanischen Mythologie eine ganz besondere Stellung ein. Sein Name bedeutet wörtlich „Katzengott“, und damit hebt er sich von Kreaturen wie Nekomata oder Kasha deutlich ab: Er ist nicht nur ein übernatürliches Tier, sondern ein göttliches Wesen, das verehrt, gefürchtet und um Schutz angerufen wird.

Die Vorstellung, dass Katzen göttliche Qualitäten besitzen können, wurzelt tief im Shintō und in der Volksreligion Japans. Dort sind Gottheiten – die sogenannten Kami – nicht abstrakte Wesen, sondern Geister, die in Naturerscheinungen, Tieren oder sogar Gegenständen wohnen können. 

Der Nekogami steht also in einer Linie mit Fuchsgeistern (Kitsune) oder Schlangengöttern, doch verkörpert er die geheimnisvolle, elegante und zugleich rätselhafte Katze.


Herkunft

Die Ursprünge des Nekogami reichen bis ins Mittelalter Japans zurück. Katzen wurden zu dieser Zeit hochgeschätzt, nicht nur als Mäusefänger, sondern auch als spirituelle Wesen. In Tempeln hielt man sie, um Schriftrollen vor Nagern zu schützen, und schon bald verband man ihre stille Wachsamkeit mit spiritueller Kraft.

Aus dieser Verehrung entstand die Vorstellung, dass besonders alte, weise oder ungewöhnliche Katzen nach ihrem Tod den Rang eines Kami erlangen konnten. Manche Geschichten berichten auch davon, dass Menschen Katzengötter durch Rituale oder Opfergaben beschworen, um Schutz, Heilung oder Glück zu erbitten.

Die Gestalt des Nekogami vereint zwei Linien der Tradition: Zum einen die dämonischen Katzen wie Nekomata, die durch Alter und übernatürliche Fähigkeiten hervortreten, zum anderen die göttliche Verehrung, wie sie dem Fuchs im Shintō-Kult zuteilwurde. So entstand ein hybrides Wesen: gefährlich, aber zugleich würdig, verehrt zu werden.


Erscheinung

Die Darstellungen des Nekogami variieren, doch gewisse Merkmale wiederholen sich:

  • Majestätische Katzenform: oft größer als normale Katzen, mit glänzendem Fell und leuchtenden Augen.

  • Mehrere Schwänze: Wie die Nekomata besitzen manche Nekogami zwei oder mehr Schwänze, ein Symbol für ihre übernatürliche Macht.

  • Göttliche Aura: In manchen Darstellungen sind sie von Licht oder Flammen umgeben, manchmal thronen sie auf Wolken oder Schreinen.

  • Verwandlungskraft: Sie können menschliche Gestalt annehmen, meist als Priester, Gelehrte oder geheimnisvolle Frauen, die mit Katzenmerkmalen versehen sind.

Während die Nekomata meist als unheilvoll gelten, strahlt der Nekogami eher eine ambivalente Heiligkeit aus: ehrfurchtgebietend, nicht unbedingt bösartig, aber stets mit dem Potential, Gutes wie Schlechtes zu bewirken.


Legenden und Geschichten

Die Volksüberlieferung kennt zahlreiche Geschichten über Nekogami.

In einer Erzählung aus Kyushu heißt es, eine alte Tempelkatze sei nach ihrem Tod zu einem Nekogami geworden. Sie erschien dem Mönch im Traum und versprach, das Kloster vor Bränden und Krankheiten zu bewahren – solange man ihr täglich Milch opfere.

Eine andere Legende berichtet von einem Dorf, das von Seuchen geplagt wurde. Ein Schamane riet, einen Schrein für die Katze zu errichten, die in der Nähe des Dorfes jahrzehntelang gelebt hatte. 

Nachdem man den Nekogami geehrt hatte, verschwanden die Krankheiten, und die Dorfbewohner hielten jedes Jahr ein Fest zu seinen Ehren. Doch nicht alle Geschichten sind positiv: Manchmal erscheinen Nekogami als rachsüchtige Wesen, die Strafe bringen, wenn man Katzen schlecht behandelt oder ihre Schreine entweiht. In diesen Fällen zeigen sie ihre Nähe zu den dunkleren Katzendämonen – als Mahnung, Tiere und Götter gleichermaßen mit Respekt zu behandeln.


Symbolik und Bedeutung

Der Nekogami verkörpert mehrere Ebenen symbolischer Bedeutung:

  • Schutz und Heilung: Als Gottheit konnte er Krankheiten vertreiben und Häuser oder Dörfer vor Unglück bewahren.

  • Strafe und Gerechtigkeit: Missachtung von Katzen führte zu seinem Zorn – eine moralische Lehre, Tiere nicht zu misshandeln.

  • Weisheit und Alter: Besonders alte Katzen galten als potentielle Nekogami, was die Ehrfurcht vor dem Alter unterstreicht.

  • Ambivalenz des Göttlichen: Wie viele Kami war auch der Nekogami weder rein gut noch rein böse, sondern eine Macht, die Respekt verlangte.

Seine Symbolik macht deutlich, dass Katzen in Japan nicht nur als Haustiere, sondern als spirituelle Mittlerwesen gesehen wurden – nah am Menschen und doch mit Zugang zu einer anderen Welt.


Moderne Rezeption

Heute sind Nekogami seltener als die populären Nekomata in Manga oder Anime, doch sie tauchen dennoch auf – meist als mächtige Schutzgeister oder mystische Figuren.

In modernen Fantasy-Werken wird der Nekogami oft als Katzen-Gottheit dargestellt, die Gläubigen Glück schenkt oder als Wächter eines Schreins erscheint. Auch in Computerspielen finden sich Anspielungen, bei denen Spieler Nekogami als Beschützer beschwören können.

Darüber hinaus ist die Idee des „Katzengottes“ eng verwandt mit der westlichen Faszination für Katzenfiguren wie Bastet aus Ägypten. 

In der Popkultur werden diese Parallelen oft bewusst gezogen, sodass Nekogami in einem größeren, globalen Pantheon der Katzenwesen steht.


Vergleich mit anderen Katzenwesen

  • Die Nekomata ist der wohl bekannteste japanische Katzendämon, ein wilder Verwandter, während der Nekogami die göttliche Seite derselben Vorstellung repräsentiert.

  • Der Kasha raubt Leichen, ist aber im Kern ein Schrecken – der Nekogami hingegen kann auch als Beschützer auftreten.

  • Mit der ägyptischen Bastet teilt der Nekogami die Dimension der Verehrung, doch während Bastet eine klar umrissene Göttin ist, bleibt der Nekogami flexibler – mal Dämon, mal Schutzgott, je nach Kontext.

  • Der Matagot aus Frankreich, der Glück und Wohlstand bringt, ähnelt in seiner Funktion als ambivalenter Hausgeist, doch der Nekogami trägt klar göttlichen Charakter.

So wird er zu einem Bindeglied zwischen Katze als Tier, Katze als Dämon und Katze als Gottheit.

 


Fazit

Der Nekogami ist ein eindrucksvolles Beispiel für die kulturelle Tiefe, mit der Katzen in Japan wahrgenommen wurden. Er zeigt, dass man in ihnen nicht nur Gefährten oder Bedrohungen sah, sondern auch göttliche Manifestationen.

Als Katzengott verbindet er die Ehrfurcht vor dem Alter, die Faszination für das Geheimnisvolle und die religiöse Vorstellungskraft einer Kultur, die Tiere eng mit dem Göttlichen verband.

Noch heute inspiriert er Künstler und Autoren – nicht als bloße Folklorefigur, sondern als lebendige Idee, dass selbst die vertrauteste Katze in Wahrheit ein Tor zum Heiligen sein kann.