Cath Palug


Cath Palug – Die rätselhafte Bestie aus der keltischen Überlieferung

Unter den zahlreichen mythischen Katzenwesen Europas nimmt die Cath Palug eine Sonderstellung ein. In den walisischen Überlieferungen erscheint sie als riesenhafte, unheilvolle Kreatur, die ganze Heere herausforderte und selbst Helden wie König Arthur oder dessen Gefährten zu Prüfungen zwang. Ihr Name – Cath Palug oder auch Palug’s Cat – bedeutet schlicht „Kater/ Katze des Palug“. Doch gerade die Einfachheit des Namens kontrastiert mit den gewaltigen, beinahe apokalyptischen Kräften, die ihr zugeschrieben werden.

Die Figur ist heute weit weniger bekannt als andere mythische Tiere der Artus-Sagen, etwa der Drache oder das Ebermonster Twrch Trwyth. Dennoch bietet sie einen faszinierenden Einblick in die Welt keltischer Erzählungen, in denen Tiere stets eine besondere Rolle als Spiegel menschlicher Ängste und Hoffnungen spielten.


Ursprünge und Quellen

Die früheste Erwähnung der Cath Palug findet sich in mittelalterlichen walisischen Texten, darunter den Annalen und dem Mabinogion, einer berühmten Sammlung von Sagen. Besonders die Episode um die Kämpfe König Arthurs und seiner Gefährten hebt die Bestie hervor. Dort heißt es, die Katze habe auf der Insel Anglesey ein ganzes Land verwüstet und zahlreiche Kämpfer getötet.

Manche Varianten der Erzählung lassen sie sogar aus dem Meer steigen, als wäre sie eine Art amphibisches Wesen, halb Katze, halb Seeungeheuer. Diese Verbindung zum Wasser passt zu den Küstenlandschaften von Wales und betont die Angst der Menschen vor den unberechenbaren Naturgewalten.

Eine Spur führt auch in die französischen Überlieferungen: In alten Handschriften aus der Bretagne taucht ein ähnliches Monster auf, das „Chat Palug“ genannt wird. Solche Parallelen deuten darauf hin, dass es sich um ein weit verbreitetes Motiv handelte, das durch die mündliche Tradition von Insel zu Insel wanderte.

Interessant ist auch der sprachliche Aspekt. „Palug“ lässt sich unterschiedlich deuten – manche Forscher bringen den Namen mit „krallen, reißen“ in Verbindung, andere sehen eine Herkunft aus Ortsnamen, sodass es sich um die „Katze von Palug“ handeln könnte. Wieder andere vermuten, dass es sich ursprünglich gar nicht um einen Eigennamen, sondern um eine Bezeichnung für eine bestimmte Bedrohung handelte, die später personalisiert wurde.


Die Begegnung mit den Helden

Besonders eindrucksvoll ist der Bericht, wonach König Arthur oder seine Gefährten Cai und Bedwyr die Cath Palug herausfordern mussten.

Das Tier habe eine ganze Streitmacht zerschlagen, ehe es in einem langen, blutigen Kampf schließlich besiegt wurde.

In dieser Erzählung zeigt sich ein bekanntes Motiv: Der Held muss sich einem übermächtigen Tier stellen, das Chaos und Zerstörung verkörpert. Die Katze wird hier nicht als sanftes Haustier dargestellt, sondern als Urgewalt der Natur, die den Menschen immer wieder Grenzen aufzeigt.

Besonders die Rolle von Cai (Sir Kay) ist erwähnenswert. In manchen Varianten heißt es, nicht Arthur selbst, sondern Cai sei derjenige gewesen, der die Bestie bezwang. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Sage ursprünglich regional unterschiedliche Helden betonte, ehe sie später in den großen Artus-Zyklus integriert wurde.


Symbolische Deutung

Die Cath Palug ist nicht einfach nur ein Tier – sie ist ein Sinnbild. In ihr verschmelzen mehrere Ebenen:

  • Naturgewalt: Die Katze steht für die unzähmbare Wildheit der Natur, insbesondere für das Meer und seine Gefahren. Anglesey als Schauplatz unterstreicht diese Nähe zum Ozean.

  • Prüfung des Helden: Wie Drachen oder Eber wird die Bestie zur Projektionsfläche für Mut, Tapferkeit und Opferbereitschaft.

  • Ambivalenz der Katze: In der keltischen wie auch der europäischen Symbolik war die Katze nie eindeutig positiv oder negativ besetzt. Sie konnte Glück bringen – oder Verderben. Die Cath Palug ist die radikale Ausprägung der dunklen Seite.

Manche Forscher vermuten, dass sie ursprünglich mit einem Seeungeheuer verwandt war. Das „See-Kätzchen“ mag eine volkstümliche Umschreibung für ein gefährliches, katzenhaft erscheinendes Wesen im Wasser gewesen sein, das später zur gigantischen Katze mit dämonischen Zügen überformt wurde.

Darüber hinaus gibt es Interpretationen, die die Cath Palug als Warnsymbol sehen: eine Mahnung an die Bevölkerung, sich nicht zu weit aufs Meer hinauszuwagen oder die Kräfte der Natur zu unterschätzen. Andere sehen in ihr eine Parodie oder Verdrehung der sonst eher schützenden Katzenfiguren – ein Spiegelbild, das verdeutlicht, wie dünn die Grenze zwischen Wohltat und Unheil sein kann.


Vergleich mit anderen Katzenwesen

Stellt man die Cath Palug neben andere Katzenwesen der Mythologie, so fällt auf, dass sie die zerstörerische Seite besonders betont. Während etwa die japanische Maneki Neko Glück verheißt oder die ägyptische Bastet Schutz gewährt, ist die Cath Palug Inbegriff des Unheils.

Interessant ist auch der Vergleich mit den nordischen Mythen. Dort ziehen die Katzen den Wagen der Göttin Freyja – kraftvoll, aber nicht bedrohlich. Die Cath Palug hingegen ist die katastrophale Schwester dieser sanfteren Bilder: ein Wesen, das keine Herrin hat und niemandem dient.

Auch zur walisischen Eber-Sage des Twrch Trwyth bestehen Parallelen. Beide sind Tiere, die ein ganzes Land in Angst und Schrecken versetzen, beide stellen Helden vor fast unmögliche Aufgaben. Doch während der Eber oft mit Fruchtbarkeit und Stärke in Verbindung gebracht wird, bleibt die Cath Palug auf die Rolle des zerstörerischen Chaos festgelegt.


Rezeption und Nachwirkung

Obwohl die Cath Palug keine populäre Rolle in der modernen Popkultur spielt, taucht sie in einigen Fantasy-Romanen und Computerspielen wieder auf, meist als exotisches Monster aus der Artus-Welt. Auch in wissenschaftlichen Abhandlungen über keltische Mythologie wird sie regelmäßig genannt, weil sie ein Beispiel dafür ist, wie variabel Tierfiguren in der Sagenwelt eingesetzt wurden.

In der walisischen Folklore dient sie zudem als Beispiel für die Dämonisierung bestimmter Tiere. Während Hunde oder Pferde häufig positive Begleiter sind, haben Katzen stets ein ambivalentes Ansehen. Die Cath Palug ist hier die Zuspitzung dieser Skepsis: ein Symbol für das Fremde, Unkontrollierbare, das nachts aus dem Dunkel hervorspringt.

Man könnte sagen, dass die Cath Palug die „dunkle Schwester“ der Hauskatze ist – ein Schattenbild, das über die Idylle des Heims hinausweist und die Erinnerung daran wachhält, dass Katzen ursprünglich wilde Jäger waren.

 

Fazit

Die Cath Palug ist ein faszinierendes Beispiel für die düstere Seite der Katzenmythen. Sie zeigt, wie stark Tiere in der keltischen Welt mit Naturgewalten, religiösen Vorstellungen und sozialen Ängsten verbunden waren. Als monströse Katze, die Helden wie Arthur herausforderte, verkörpert sie die Macht des Unbekannten – und erinnert daran, dass die Katze in der Mythologie nicht nur als Gefährtin, sondern auch als Gegnerin auftritt.

So bleibt die Cath Palug ein rätselhaftes Wesen: halb Tier, halb Symbol, ganz Mythos.