Titanic - Schiffskatze Jenny
Die Titanic steht für technische Hybris und menschliche Tragödie. In ihrem Schatten hält sich bis heute die Geschichte von Jenny, der Schiffskatze. Sie soll kurz vor der Abfahrt 1912 in Southampton ihre Jungen an Land getragen haben – ein Bild, das viele als Omen deuteten und das zur langlebigsten Tier-Legende der Titanic wurde.
Was die Legende erzählt
Jenny lebte – so die Überlieferung – bereits an Bord der Olympic, ehe sie auf die Titanic kam. Kurz vor der Jungfernfahrt bekam sie einen Wurf Kätzchen. Ein Heizer (häufig als Joe/Jim Mulholland genannt) berichtete später, Jenny habe die Jungen nacheinander über die Gangway getragen und sei nicht zurückgekehrt. Er wertete das als Warnzeichen, verließ das Schiff – und überlebte.
Ob Vorahnung oder Zufall: Das Bild der Mutterkatze, die „weiß“, was kommt, war zu stark, um zu verschwinden. Die Geschichte verbreitete sich mündlich, wanderte in Magazine und Bücher – und wurde mit jedem Jahrzehnt ein Stück glatter erzählt.
Was belegt ist (und was nicht)
Gesichert ist: Auf Ozeandampfern waren Schiffskatzen üblich – sie hielten Ratten von Proviant und Tauwerk fern. Violet Jessop, Stewardess und spätere Autorin, erwähnt in ihren Memoiren eine Katze mit Wurf an Bord der Titanic. Das spricht klar für Jennys Existenz.
Nicht gesichert ist: dass Jennys Abmarsch tatsächlich beobachtet wurde und wann genau er stattfand. Offizielle Listen führten Arbeitstiere nicht, und Primärquellen nennen den Vorfall nicht eindeutig. Die oft wiederholte Behauptung, Jenny sei von der Olympic versetzt worden, ist plausibel, aber nicht eindeutig belegt.
Kurz: Plausible Katze – ungesicherte Szene.
Zwei Versionen ihres Schicksals
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Version A (hoffnungsvoll): Jenny trägt ihre Jungen an Land und überlebt. Der Heizer folgt ihrem „Rat“.
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Version B (tragisch): Jenny bleibt an Bord und geht mit der Titanic unter – wie die meisten Tiere.
Beide Varianten akzeptieren Jenny als reale Schiffskatze. Unterschiedlich ist nur das Ende. Darum hält sich die Legende: Jeder findet die Version, die zur eigenen Sicht passt.
Warum die Geschichte hängen bleibt
Seeleute lebten mit Aberglauben: Katzen galten als Glücksbringer, Wetterfühler, manchmal als Omen. Die Jenny-Erzählung bedient genau diese Tradition. Psychologisch kommt etwas dazu: In Katastrophen suchen Menschen Sinn und Zeichen – das Bild einer vorausschauenden Mutterkatze liefert beides. Ähnliche Seemannsgeschichten kursieren auch zu anderen Unglücken.
Ob sie wahr sind, ist oft zweitrangig – entscheidend ist, was sie bedeuten: Instinkt, Fürsorge, Rettung im letzten Moment.
Einordnung
Historisch nüchtern bleibt: Schiffskatzen gab es, eine Katze auf der Titanic ist sehr wahrscheinlich. Der konkrete Abgang über die Gangway ist nicht belegt, aber erzählerisch so stark, dass er zum festen Bestandteil der Titanic-Folklore wurde. Damit steht Jenny genau dort, wo Geschichte und Mythos sich treffen.
Fazit
Ob sie ging oder blieb – Jenny erinnert an die vielen tierischen Leben hinter großen Ereignissen. Ihre Legende bewahrt ein Stück Bordalltag: Arbeitstier, Maskottchen, Trostspenderin. Und sie zeigt, wie sehr wir Geschichten brauchen, um das Unfassbare greifbar zu machen.