Hauskatzen bei den Germanen

Die Geschichte der Hauskatze bei den Germanen
Die Beziehung zwischen Menschen und Katzen ist eine lange und komplexe Geschichte, deren Wurzeln bis in die Anfänge der Landwirtschaft im Fruchtbaren Halbmond vor etwa 10.000 Jahren zurückreichen.
Wilde Katzen wurden zunächst von den reichhaltigen Nagetierpopulationen angezogen, die durch die Lagerung von Getreide in menschlichen Siedlungen entstanden, und entwickelten so eine für beide Seiten vorteilhafte Koexistenz.
Im Laufe der Jahrtausende entwickelte sich diese anfängliche Anziehung zu einer vielschichtigen Beziehung, in der Katzen nicht nur als nützliche Schädlingsbekämpfer dienten, sondern auch eine bedeutende symbolische Rolle in verschiedenen Kulturen übernahmen.
Freya und ihre Katzen Bygul und Trjegul
Spuren in der Zeit: Früheste Nachweise von Katzen in germanischen Siedlungsgebieten
Die Domestizierung der Katze begann global betrachtet vor etwa 10.000 Jahren im Nahen Osten, wobei die Afrikanische Wildkatze (Felis silvestris lybica) als Stammform aller modernen Hauskatzen gilt. Die Ausbreitung der Katze nach Europa erfolgte in mehreren Wellen. Archäologische Funde belegen die Anwesenheit domestizierter Katzen in Regionen wie Serbien und Polen bereits um 6000 v. Chr., und auch für die neolithische Periode in Mitteleuropa gibt es Nachweise. Diese frühen Migrationen könnten durch natürliche Ausbreitung oder die Wanderungen der ersten Bauern erfolgt sein. In germanischen Gebieten lassen sich die frühesten Nachweise von Katzen um die Zeitenwende datieren, wobei die römische Präsenz und der damit verbundene Handel eine wesentliche Rolle bei ihrer Einführung spielten. Die Ausbreitung von Haustieren, einschließlich Katzen, war ein Begleitphänomen der römischen Expansion in weite Teile Europas, so auch nach Germanien.
Ein bemerkenswerter Aspekt ist das Vorhandensein von DNA der Nahöstlichen Wildkatze in mitteleuropäischen Funden, die deutlich älter sind als die römische Periode. Dieser Befund deutet auf frühere, möglicherweise unabhängige Wege der Katzenmigration nach Mitteleuropa hin, die nicht ausschließlich auf römische Einflüsse zurückzuführen sind. Es ist denkbar, dass diese frühen Katzen entweder auf natürlichen Wegen in die Region gelangten oder bereits in einer frühen Phase der landwirtschaftlichen Expansion mit menschlichen Gemeinschaften interagierten. Die spätere Zunahme der Katzenpopulationen in germanischen Regionen während der römischen Kaiserzeit und der nachfolgenden Wikingerzeit deutet auf eine wachsende Akzeptanz und Integration von Katzen in menschliche Siedlungen hin. Dies könnte mit ihrer Nützlichkeit bei der Schädlingsbekämpfung und der Entwicklung engerer Beziehungen zwischen Mensch und Tier zusammenhängen.
Pfotenabdrücke in der Vergangenheit: Archäologische Entdeckungen in germanischen Haushalten
Die archäologische Forschung hat verschiedene Hinweise auf die Anwesenheit von Katzen in germanischen Siedlungen erbracht. Dazu gehören Funde von Katzenknochen in unterschiedlichen Kontexten wie Hausmüllgruben und sogar an Kultstätten wie dem Opfermoor Vogtei. Ein besonders bemerkenswerter Fund sind die etwa 2000 Jahre alten Katzenreste, die in Aalborg in Nordjütland, Dänemark, entdeckt wurden. Diese Funde, die in die Zeit des ersten Jahrhunderts n. Chr. datiert werden konnten, legen nahe, dass Hauskatzen in dieser Region bereits frühzeitig präsent waren und wahrscheinlich durch den Handel mit dem Römischen Reich in den Norden gelangten.
Neben vereinzelten Knochenfunden gibt es auch Hinweise auf Katzenbestattungen, insbesondere in skandinavischen Kontexten der Wikingerzeit. Die Beisetzung von Katzen in der Nähe von Menschen oder sogar als Grabbeigabe deutet auf eine engere Beziehung oder eine symbolische Bedeutung hin, die über den reinen Nutzwert hinausgeht. So wurden Katzen in Gräbern von Männern, Frauen und später auch Kindern gefunden. In einigen Fällen waren Katzen die einzigen Grabbeigaben, was ihren besonderen Stellenwert unterstreicht.
Ein weiterer Aspekt, der durch archäologische Funde beleuchtet wird, ist die Nutzung von Katzenfell. An verschiedenen Orten, insbesondere in wikingerzeitlichen Handelszentren wie Odense und Ribe, wurden Katzenknochen mit Schnittspuren entdeckt, die auf das Abziehen des Fells hindeuten. Dies legt nahe, dass Katzen nicht nur als lebende Tiere in den Haushalten gehalten wurden, sondern auch als Ressource für die Pelzgewinnung dienten, was auf einen möglicherweise größeren kommerziellen Nutzen hindeutet.
Ein besonders interessanter Fund ist ein Katzenknochen, der in einem vorchristlichen Gräberfeld in Island inmitten menschlicher Schädelreste entdeckt wurde. Dieser ungewöhnliche Kontext deutet auf eine mögliche rituelle Bedeutung von Katzen im nordischen Paganismus hin, die über ihre alltägliche Rolle hinausging.
Die archäologischen Funde zeichnen somit ein vielschichtiges Bild der Rolle von Katzen in germanischen Haushalten. Sie waren nicht nur nützliche Tiere zur Schädlingsbekämpfung, sondern möglicherweise auch Gefährten und eine Quelle für materielle Güter, mit Andeutungen auf eine symbolische oder rituelle Bedeutung in bestimmten Kontexten. Insbesondere die Schnittspuren auf Katzenknochen aus wikingerzeitlichen Handelszentren deuten darauf hin, dass Katzenfell einen wirtschaftlichen Wert besaß, was auf eine möglicherweise größere Nutzung von Katzen als bisher angenommen hinweist. Die Beisetzung von Katzen bei Menschen, auch in Männergräbern, stellt die Vorstellung in Frage, dass Katzen in nordischen Glaubensvorstellungen ausschließlich mit weiblicher Zauberei in Verbindung standen, und deutet darauf hin, dass sie auch von Männern als Haustiere und Gefährten geschätzt wurden.
Flüstern im Sagenbuch: Katzen in germanischer Mythologie und Volksglaube
In der germanischen Mythologie, insbesondere in der nordischen, spielen Katzen eine bemerkenswerte Rolle. Die Göttin Freyja, die mit Liebe, Schönheit, Fruchtbarkeit, Sex, Krieg, Gold und Seiðr (einer Art Magie zur Zukunftsdeutung und -beeinflussung) assoziiert wird, ist bekannt dafür, einen Wagen zu fahren, der von zwei Katzen gezogen wird. Diese Verbindung zur Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit deutet darauf hin, dass Katzen in der nordischen paganen Welt einen bedeutenden symbolischen Status innehatten, der mit diesen wichtigen Aspekten des Lebens verbunden war. Es wird vermutet, dass diese Assoziation möglicherweise nicht aus der ursprünglichen Wikingerzeit stammt, sondern eher eine spätere Interpolation aus christlichen oder antiken Traditionen darstellt.
Es gibt auch Hinweise auf eine mögliche Verbindung von Katzen zu Magie und Zauberei im nordischen Glauben. In der Saga von Erik dem Rot wird eine grönländische Zauberin beschrieben, die einen schwarzen Hut aus Lammfell mit Katzenfellfutter und Handschuhe aus Katzenfell trägt. Diese Darstellung legt eine Verbindung zwischen Katzen und übernatürlichen Fähigkeiten nahe.
Eine weitere bekannte Geschichte aus der nordischen Mythologie ist die von Thor und der Midgardschlange, die in der Gestalt einer Katze erscheint. Diese Erzählung unterstreicht die immense Stärke und die mythische Bedeutung, die Katzen im nordischen Kosmos zugeschrieben wurden.
Im germanischen Volksglauben finden sich verschiedene Überlieferungen und Aberglauben im Zusammenhang mit Katzen. Insbesondere schwarze Katzen werden ambivalent wahrgenommen; sie gelten in einigen Kontexten als Unglücksbringer, in anderen jedoch als Glückssymbole. Diese Ambivalenz könnte auf einen Übergang von älteren, möglicherweise positiveren oder neutraleren paganen Assoziationen zu negativen Konnotationen im Zuge des Aufstiegs des Christentums und des Hexenglaubens hindeuten.
Alltägliche Begleiter: Die Rolle von Katzen im germanischen Alltag
Im germanischen Alltag erfüllten Katzen verschiedene Funktionen. Eine der wichtigsten war zweifellos die Schädlingsbekämpfung. Katzen wurden für ihre Fähigkeit geschätzt, Getreidelager und Haushalte vor Nagetieren zu schützen. Diese Fähigkeit, Schädlinge zu jagen und zu eliminieren, war in einer Zeit, in der die Lagerung von Lebensmitteln entscheidend für das Überleben war, von unschätzbarem Wert.
Darüber hinaus gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass Katzen auch als Gefährten und Haustiere in germanischen Haushalten gehalten wurden. Archäologische Funde von Bestattungen und literarische Erwähnungen deuten auf Zuneigung und eine individuelle Anerkennung von Katzen hin. Die Verwendung von Katzenfell für Kleidung, insbesondere während der Wikingerzeit, deutet auf eine potenzielle wirtschaftliche Rolle von Katzen hin, die über die Schädlingsbekämpfung und Kameradschaft hinausging. Es gibt auch Spekulationen über mögliche rituelle Verwendungen von Katzen, wie der Fund in Island nahelegt, was auf eine tiefere, vielleicht spirituelle Integration von Katzen in das germanische Leben hindeutet.
Über den Kontinent: Katzen im Vergleich mit anderen zeitgenössischen europäischen Kulturen
Die Stellung von Katzen in der germanischen Gesellschaft kann mit der in anderen europäischen Kulturen der damaligen Zeit verglichen werden. Im Römischen Reich wurden Katzen wahrscheinlich durch den Handel und den Einfluss Ägyptens eingeführt, wo sie mit Freiheit und Göttlichkeit assoziiert wurden, beeinflusst durch die ägyptische Kultur. Im Vergleich dazu scheinen Katzen in keltischen Kulturen ebenfalls präsent gewesen zu sein, oft verbunden mit dem Übernatürlichen und manchmal mit Göttinnen, wobei ihre Einführung in Irland möglicherweise später erfolgte.
Der Vergleich zeigt, dass Katzen in verschiedenen Teilen Europas ähnliche praktische Funktionen erfüllten, insbesondere bei der Schädlingsbekämpfung, aber ihre symbolische und emotionale Bedeutung variierte, wobei Ägypten eine frühe Verehrung zeigte, Rom eine eher utilitaristische Sichtweise mit aufkommender Kameradschaft und germanisch/nordische Kulturen sie mit Mythologie und potenziellem Pelzhandel verknüpften.
Ein sich wandelndes Verhältnis: Entwicklung im Laufe der Zeit
Die Beziehung zwischen Germanen und Katzen entwickelte sich im Laufe der Zeit. Anfänglich war die Einführung von Katzen wahrscheinlich durch die Notwendigkeit der Schädlingsbekämpfung im Zusammenhang mit Landwirtschaft und Getreidelagerung motiviert. Allmählich entwickelte sich jedoch eine wachsende Rolle von Katzen als Gefährten und Haustiere, was besonders in der Wikingerzeit und im späteren Mittelalter deutlich wird.
Im Mittelalter erfuhr die Wahrnehmung von Katzen einen Wandel, der sie mit Hexerei und dem Bösen in Verbindung brachte, möglicherweise beeinflusst durch den Niedergang des Paganismus und den Aufstieg des Christentums. Diese negativen Assoziationen führten zu Verfolgungen von Katzen in einigen Teilen Europas. Dennoch erlangten Katzen in späteren Perioden wieder eine positivere Stellung und wurden erneut zu geschätzten Haustieren.
Fazit
Die Geschichte der Hauskatze bei den Germanen ist eine facettenreiche Erzählung, die von ihren wahrscheinlichen Anfängen als nützliche Schädlingsbekämpfer bis hin zu ihrer Rolle als mythologische Figuren und schließlich als geschätzte Gefährten reicht. Archäologische Funde liefern greifbare Beweise für ihre Anwesenheit und Nutzung, während mythologische und folkloristische Überlieferungen Einblicke in die symbolische Bedeutung geben, die ihnen von den germanischen Völkern beigemessen wurde.
Der Vergleich mit anderen europäischen Kulturen der gleichen Zeit verdeutlicht die unterschiedlichen, aber oft ähnlichen Wege, auf denen Katzen in das menschliche Leben integriert wurden. Die sich wandelnde Beziehung zwischen Germanen und Katzen im Laufe der Zeit spiegelt breitere gesellschaftliche und religiöse Veränderungen wider und unterstreicht die dynamische Interaktion zwischen Menschen und der Tierwelt.