Die Brautschau
Von einem Kater, der die schönste, edelste und ansehnlichste Frau der Welt heiraten wollte
Ein schmucker, junger Kater dachte ans Heiraten. Nun hatte er zwar gewisse Vorstellungen von einer geeigneten Frau, sie waren aber eher vage.
Genau wusste er nur, dass es nicht irgendeine Mieze sein sollte, nein, seine Frau sollte die schönste Frau, aus edlem Hause, von feiner Herkunft sein, einem mächtigen Geschlecht sollte sie angehören.
Da ihm klar war, dass man ein solches Vorhaben nicht ohne gute Ratschläge betreiben könnte, suchte er eine alte, erfahrene und weise Katze auf.
Er trug ihr sein Anliegen vor. Sie hörte auch geduldig zu, als er schließlich sagte: „Welches ist wohl das Größte und Edelste überhaupt?“
Die alte Katze dachte nach und sagte: „Alles Edle auf Erden wird einzig übertroffen von der Sonne. Sie verleiht allem Leben hier auf Erden, ob Menschen, Tieren, Pflanzen, Freude und Wärme.“
Wunderbar“, sagte der Kater, „ich werde die Sonne um die Hand ihrer Tochter bitten, den die Tochter der Sonne ist mir als Frau sehr recht. Es gibt doch gewiß nichts machtvolleres und strahlenderes?“
„Nun“, sagte die Katze, „wo in den Tälern oder an den Flüssen dichte Nebel wallen, da dringt die Sonne nicht durch, da verliert sie ihre Kraft.“
Aha, schon verstanden“, sagte der Kater. „Ich werde den Nebel um die Hand seiner Tochter bitten. Oder hat etwa auch der Nebel…..?“
„Gewiß“, sagte die alte Katze. „Denn wo starke Winde herrschen, weicht jeder Nebel, der Sturm ist stärker als der Nebel.“
Darauf kommt es mir an“, sagte der Kater. „Ich heirate also die Tochter des Windes, ich nehme sie zur Braut.“
„Je nun“, sagte die alte Katze zögernd, „noch jedes gut gebaute Haus hat allen Winden getrotzt, war stärker als die stärksten Winde.“
Der Kater wurde nachdenklich. Dann faßte er Mut und sagte: „Was soll sein, das Stärkste ist mir gerade gut genug. Ich werde ein Haus um die Hand seiner Tochter bitten.
Warum sollte es meinen Antrag ablehnen? Ich danke also für den Rat.“
Die alte Katze machte ein etwas grämliches Gesicht und hob die Tatze wie zur Warnung.
„Im Namen des grundgütigen Katzengottes“, sagte der Kater. „Es wird doch wohl nicht noch etwas geben, was stärker ist als ein großes, starkes Haus?“
„Ich denke doch“, sagte die weise Katze. „Es gibt da etwas, was auch ein starkes Haus zum Einsturz bringen kann.“
Der Kater seufzte. Das war ja nicht zu fassen. Der Nebel trotzte der Sonne, der Wind war stärker als der Nebel, das Haus des Sturmes Feind, und nun – was um alles in der Welt konnte das sein?
„Was ist es, das stärker ist noch als ein Haus“, fragte der Kater.
Ja“, sagte die Katze, „wo viele Mäuse hurtig ihre Gänge graben, da wird der Boden brüchig, wird er porös und das, was auf ihm lastet, stürzt dann ein.“
Na gut“, sagte der Kater nun schon entnervt, „dann werde ich eben eine Maus heiraten. Ansehnlich ist sie nicht, so klein und grau. Aber wenn selbst starke Häuser ihre Macht und ihren Einfluß fürchten müssen, dann heirat ich eben ´ne Maus.“
Er wollte sich schon erheben und gehen, um der Maus einen Antrag zu machen, und das machte ihm doch einige Probleme. Da fiel ihm im letzten Augenblick die rettende Frage ein: „es gibt doch nicht etwa was, was auch die Mäuse fürchten, was stärker ist als eine Maus?“
„Doch, doch, das gibt es“, sagte die Katze listig lächelnd.
„Und was ist das?“ fragte der Kater sehr erleichtert, keine Maus heiraten zu müssen.
„Nun“, sagte die Alte, „das ist die Katze, denn stärker als die Maus ist nur die Katze; die Nager fürchten uns wie sonst nichts auf der Welt.“
Und sie sagte weiter: „Wo eine Katze auftaucht, da flüchten die Mäuse in Scharen, denn sie wissen, die Katze ist mächtiger als jede Maus.“
Da war der Kater tief betroffen, und erleichtert war er auch ein wenig.
„Ja“, sagte er, „das ist es. Oh dank ich euch für euren Rat. Ich werde mir nun eine Katze zur Frau nehmen.“
Fabel von dem fahrenden Ritter, genannt „Der Stricker“ aus dem 12 Jahrhundert